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Ergebnis einer aktiven Zivilgesellschaft: die Charta der Demokratie

Übergabe der Charta der Demokratie an Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg und Kulturstaatsministerin Claudia Roth Foto: Stadt Frankfurt am Main/ Maik Reuß
Übergabe der Charta der Demokratie an Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg und Kulturstaatsministerin Claudia Roth Foto: Stadt Frankfurt am Main/ Maik Reuß

Im Jahr 2023 kurz vor dem Jubiläum der Nationalversammlung wurde die Charta der Demokratie an die Kulturstaatsministerin übergeben. Sie war Ergebnis eine Bürger:innenwerkstatt unter dem Titel "Zivilgesellschaft aktiv" - und eine der Forderungen ist zugleich die Grundlage für den Pavillon der Demokratie.

Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg wagte beim „Tag der Zivilgesellschaft“ im Mai 2023 eine kühne These: „Für mich ist dieser Tag das Herzstück unseres Jubiläums“, sagte die Bürgermeisterin in der Paulskirche. 350 Gäste waren damals gekommen, um der Übergabe der „Charta der Demokratie“ beizuwohnen.

Die Veranstaltung mit dem Titel „Demokratie – aber wie?“ war Teil des Festprogramms zum Paulskirchenjubiläum. Drei Vertreterinnen und Vertreter von zivilgesellschaftlichen Initiativen – Serpil Unvar, die Mutter des 2020 bei dem rassistischen Anschlag in Hanau ermordeten Ferhat Unvar, die Geschäftsführerin des Beratungs- und Bildungszentrum infrau, Pantoula Vagelakou, und Georgios Kazilas vom Vorstand des LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschland) Hessen – übergaben die Charta an Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg. 

Die Charta mit insgesamt zehn Forderungen an die Politik ist das Ergebnis mehrerer digitaler und analoger Bürger-Dialoge, welche die Stabsstelle für Antidiskriminierung im Diversitätsdezernat organisiert hatte und die im Rahmen des Netzwerkes „Zivilgesellschaft aktiv: Diskriminierungsfreie Demokratie“ fortgesetzt werden. Zu den Forderungen gehören unter anderem die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und das Wahlrecht für alle auf kommunaler Ebene.

„Die Zivilgesellschaft ist das Korrektiv der Politik. Sie muss in die Entscheidungen der Politik eingebunden werden. Denn eine starke Zivilgesellschaft bedeutet eine starke Demokratie“, sagte Eskandari-Grünberg und versprach, „dass wir uns die Forderungen zu Herzen nehmen und umsetzen“.

Auch Claudia Roth kündigte an, die Charta „mit nach Berlin und nach Bayern zu nehmen“ – sie stammt aus Augsburg. In der Demokratie seien Einheit und Freiheit gleichermaßen wichtig, so die Staatsministerin. „Und das geht nur mit Teilhabe, wenn alle mitmachen können.“ Demokratie sei nichts Starres, sondern sie müsse sich ständig weiterentwickeln. „Es geht darum, aus der Geschichte der Paulskirche etwas Neues entstehen zu lassen.“  

Eine Forderung der Zivilgesellschaft und der vielen Bürger:innen damals: Geht in die Stadtteile, diskutiert vor Ort über Demokratie! Die Charta ist somit auch die Grundlage für den Pavillon der Demokratie.

 

Charta der Demokratie

Präambel

Demokratien brauchen eine lebendige Zivilgesellschaft. Politik muss Verantwortung übernehmen.

Die Zivilgesellschaft ist ein fester Bestandteil aller politischen Prozesse, sei es auf lokaler, nationaler oder internationaler Ebene. Sie gestaltet politische Prozesse, organisiert erfolgreich politische Partizipation, deckt Menschenrechtsverletzungen auf - und sie fordert von staatlichen Akteur:innen Rechenschaft ein. Wir leben in Zeiten, in denen die Zivilgesellschaften weltweit mit Repressionen konfrontiert sind.

Wir, zivilgesellschaftliche Akteur:innen und Bürger:innen der Stadt Frankfurt haben in den letzten Monaten intensiv darüber diskutiert, wie eine diskriminierungsfreie Demokratie gestaltet werden kann. Als Ergebnis unserer Arbeit sind zehn Forderungen entstanden – diese bilden die „Charta der Demokratie“.

Wir werden weiter an diesem Prozess arbeiten und möchten mit den folgenden Punkten mit der Politik im Gespräch bleiben.

1. Erinnern heißt Verändern.

Eine würdige Erinnerungskultur muss anerkennen, dass rechte, rassistische und antisemitische Gewalt eine Kontinuität in Deutschland darstellen. Wir fordern die Politik auf, die nötigen Ressourcen für die Schaffung neuer Gedenkorte und passender Gedenkangebote zur Verfügung zu stellen.

2. Gedenkkultur intersektional und partizipativ gestalten.

Wir fordern die Politik auf, die organisierte und nichtorganisierte Zivilgesellschaft auf allen Ebenen in die Entscheidungsprozesse der Erinnerungspolitik einzubeziehen.

3. Akzeptanz und Repräsentanz junger Menschen in politischen Gremien ermöglichen.

Wir fordern die Politik auf, die Absenkung des aktiven Wahlrechts auf 16 Jahre voranzutreiben und die Kandidatur junger Menschen in den Parlamenten zu fördern und zu unterstützen.

4. Selbstwirksamkeit und politische Bildung fördern.

Wir fordern die Politik auf, Schulen als Orte der lebendigen Demokratie zu gestalten, Lehrpläne mit mehr Demokratiebildung zu erlassen, Expert:innenräte aus Lehrer:innen und Schüler:innen zu gründen und deren Entscheidungen als Fachexpertise in politischen Prozessen anzuerkennen.

5. Kommunales Wahlrecht für Alle.

Wir fordern die Politik auf, dafür einzutreten, dass alle Bürger:innen der Stadt das kommunale Wahlrecht erhalten – und zwar unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.

6. Prozesse der Veränderung forcieren und Chancengerechtigkeit ermöglichen.

Wir fordern die Politik auf, niedrigschwellige Beteiligungsformate zu entwickeln, um Menschen handlungsfähig zu machen.

7. Partizipationsmöglichkeiten stärken.

Wir fordern die Politik auf, nicht über die Menschen, sondern mit den Menschen zu sprechen, auf Menschen zuzugehen, sich ihren Sorgen anzuhören und Mitsprache einzuräumen.

8. Politische Entscheidungen transparent machen.

Wir fordern die Politik auf, ihre Entscheidungen für alle Bürger:innen zugänglich zu machen und verständlich zu vermitteln, mehrsprachig und in einfacher Sprache. 

9. Willkommenskultur implementieren.

Wir fordern die Politik auf, die Vielfaltsöffnung der Verwaltungssysteme voranzutreiben, Verwaltungsstrukturen zu vereinfachen und Bürokratie abzubauen.

10. Antidiskriminierungskultur verankern.

Wir fordern die Politik auf, unermüdlich dafür einzutreten, dass eine rassismus- und diskriminierungskritische Haltung auf allen Ebenen der Gesellschaft gewährleistet ist.